Auf der Suche nach der Selbsterkenntnis. Wertegesichter in Mythen als Codes der Kultur am Beispiel von Sisyphos, Odysseus und Ödipus

Abstract

In den präsentierten Überlegungen stelle ich Mythen als – bisher einseitig gelesene – Metaphern der Reise der menschlichen Rationalität auf der Suche nach Macht und Wissen (Ödipus), Gewinnmaximierung (Sisyphos), Autonomie (Odysseus) vor. Die vorgestellten Neuinterpretationen zeigen die "andere" Seite der Werte, denen wir bereits Bedeutung gegeben haben. Odysseus verdankt seine Weisheit den Frauen, denen er begegnet. Die Bestrafung des Sisyphos, der einen Felsbrocken den Berg hinauf zu rollen hatte, ist die Essenz des entfremdeten Lebens. Der Held Ödipus verlor gegen das Schicksal, aber am Ende seines Lebens verkörperte er Weisheit und Erfüllung. Und der moderne Mensch – der Mensch des Anthropozäns? Er verliert sich in der Herrschaft über die Erde und auf der Erde. Seine Entwicklung und sein Wachstum bringen keinen Aufschwung. Macht und Wissen garantieren keine Freiheit. Die Autonomie und Selbsterkenntnis der Moderne drohen mit Selbstzerstörung. Die Bedrohung durch die Klimakrise offenbart das Janusgesicht zeitgenössischer Werte.